Eine Userin hatte attraktive Fotos von sich ins Netz gestellt. Nach einiger Zeit stellte sie fest, dass sie zahllose Kontaktversuche verschiedenster Unbekannter erhielt, was sie störte und verängstigte.
Die Kontakte kamen über den facebook Messenger, der für sie ein wichtiges Medium war: es half also nichts, dass sie ihre Telefon-Nummer nicht publiziert hatte. Manche Kontakte kamen sogar direkt per Video-Anruf.
Mit dergleichen umzugehen, ist schwierig. Vor allem waren es keine direkt bösartigen Anrufe — dass es sich um einen Kontakt handelte, den sie nicht wollte, konnte sie immer nur während des Gesprächs feststellen, das sie nach immer kürzerer Zeit abbrach.
Meine Vermutung war, dass es am Profilbild lag.
Das Internet bzw. das Massenpublikum auf facebook ist nicht sehr schlau. Die meisten Nutzer/innen reagieren nur oberflächlich auf Schlüsselreize. Werbebotschaften und Logos werden zB oft missverstanden, meist auf der aller-untersten Ebene des Niveaus. Ich berate beruflich immer wieder mal Stalking-Opfer und kann eben nur sagen, dass Profilbilder am besten neutral oder vielleicht noch weltanschaulich sein sollten… Personenfotos sind eben problematisch.
Wenn man belästigt wird, kann man natürlich alle Idioten da draußen umerziehen.
Oder man kann es einfach vermeiden, Fotos zu posten, die die falschen Leute anziehen. Besonders beim Jugendschutz ist sowas wichtig, um zu vermeiden, dass Stalker, Mobber, Sexualstraftäter oder Menschenhändler angezogen werden. Für die Irren sind die Profilbilder sowas wie ne Speisekarte.
Wenn man ein fb-Profil erstellt, das außer dem Inhalt der Postings keine direkte Zuordnung (missverständlich oder nicht) erlaubt, DANN kann man ja immer noch hergehen und die 50er umerziehen, oder was davon in der heutigen Gesellschaft rumläuft
Dass sie nicht zu erkennen war (sie hatte die Haare vor dem Gesicht), änderte nichts am Grundproblem: denn Unbekannte sahen stets nur eine Frau in attraktiver Pose und suchten den Kontakt. Ob es eine alte Schulbekanntschaft oder ein wildfremder Macho war, war eben nicht von vornherein erkennbar.
Eben weil Missverständnisse in Sachen Profilbild häufig sind, gibt es ja Tipps, wie man sein Profilbild nur den Freunden anzeigen lassen kann:
https://praxistipps.chip.de/facebook-profilbild-verbergen…
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Ähnlicher Tipp für Whatsapp:
https://www.freundin.de/whatsapp-trick-profilbild-verbergen
Es ist natürlich ärgerlich, dass ein sympathisches Frauenbild von Männern ohne weiteres als Einladung zur Kontaktaufnahme auffassen.
Wir stellen fest, die Welt ist schlecht.
Und jetzt?
Man schützt sich. Es ist normal, dass jeder von uns beim Weggehn halt die Haustür abschließt, statt sie auf zu lassen und dann zu jammern, dass Diebe reinkamen.
Hierzu fragte eine/r:
„Schließt Du die Haustür auch ab, wenn Du zuhause bist? Und wenn dann jemand klingelt, Du öffnest die Tür, und dann haut Dir jemand ungefragt ein Bild von seinen Geschlechtsteilen ins Gesicht, machst Du Dir Gedanken um die vielleicht falsche Beschriftung Deiner Klingel und änderst die ab?“
Natürlich ist es distanzlos, speziell von männlichen Usern, einfach direkt anzurufen, speziell per Video, wenn es vorher überhaupt keinen Kontakt gab. Die Frage bezog sich deutlich auf obszöne Anrufe – nur waren solche eben nicht das Grundproblem. Es kamen alle möglichen Kontakt-Anfragen.
Leider ist ein Bild, das schon von der Pose her als Kontakt-GESUCH interpretiert werden KANN, für manche eben gleich eine Einladung, und der facebook Messenger ist eben genau dazu da, Kontakte anzubahnen – wie auch facebook. Neuerdings versucht sich facebook sogar als Partnervermittlung.
Im Internet ist jede/r mit gut einer Milliarde anonymer Leuts in optionaler Wechselwirkung. Da gelten andere Standards für Privacy als im echten Leben. Sie haben nur ein trügerisches Sicherheitsgefühl, weil Sie zuhause am Tisch sitzen.
Das Internet ist nicht die Realität, und facebook funktioniert anders als Ihre Haustür. Da ist ein gewaltiger Unterschied, denn an Ihrer Haustür KANN eben niemand klopfen, der sich im Moment des Klopfens auf einem anderen Kontinent befindet. Zu Ihrer Haustür muss man erstmal hingehn, man muss die Person konfrontieren – und das alles ist teuer und kostet Zeit. Sie können ein noch so provozierendes Foto an Ihr Haus kleben: die Zahl derer, die deswegen persönlich bei Ihnen vorsprechen, wird gering sein.
Im Internet erzeugt ein provokantes Foto tausende von Angriffen innerhalb weniger Stunden, und die Täter sitzen bequem zuhause, es kostet sie nichts Zusätzliches und sie fühlen sich sicher und anonym.
Aber spielen wir den Gedanken doch spaßeshalber mal im Realen Leben (RL) durch. Wenn ständig Leute an Ihrer Haustür klopfen und unanständige Anliegen haben, dann schauen Sie irgendwann bestimmt mal, woran das eigentlich liegt, nicht? Irgendwann fragen Sie sich doch, ob Sie nicht irgendetwas ändern können, das in IHREM Bereich liegt.
Verpflichtet sind Sie dazu nicht, und Sie haben auch nichts falsch gemacht. Aber da Sie die Gehirne aller Falschversteher nicht umpolen können, arbeiten Sie vielleicht bei sich: Unter Umständen würden Sie dann doch schauen, ob das Lämpchen mit dem roten Lampenschirm in der Fensterecke nicht besser einen Platz woanders bekommt, oder ob vielleicht Ihr Namensschild sich nicht genug von der Sexarbeiterin gleichen Namens absetzt, die ein Haus weiter wohnt.
Die Empörung über abscheuliche Sexisten teilen wir ja alle. Und wichtig ist, Victim-Blaming zu vermeiden, also nicht den Vorwurf auf das Opfer abzuwälzen. Schließlich sollten wir alle das Recht haben, uns selbst so zu präsentieren, wie wir das wünschen — auch öffentlich.
Kein Mensch kann der Userin einen Vorwurf machen, dass primitive Leute ihr Profilbild missverstehen.
Man kann das aber auch nicht verhindern, und eine fast unendliche Anzahl von Bescheuerten steht im Internet bereit, um Sie zu belästigen, falsch zu verstehen, oder eben auch nur plumpe, unerwünschte, aber harmlos gemeinte Kontaktversuche zu unternehmen.
Zur digitalen Selbstverteidigung gehört, passiv zu reagieren. Wer ungewollt ins Fadenkreuz von Spinnern gerät, sollte sich klar machen, dass es diverse Möglichkeiten gibt, die Privat-Sphäre zu stärken. Die Alternative dazu ist nur, über die Bosheit der Welt zu klagen, was natürlich auch eine coping strategy ist.
Weil wir gerade dabei sind: mein bester Tipp für die Nutzung Sozialer Netzwerke ist, mal einen Menschen, dem man vertraut, zu bitten, den eigenen Facebook Account zu sichten und einem dann zu sagen
– welche persönlichen Informationen sie oder er finden konnte
– was davon missverständlich ist oder missbraucht werden könnte.
Wenn man klar macht, dass es um die Sicherheit geht, geben sich Freund/innen meist echte Mühe, wirklich was zu finden – so wird manche Sicherheitslücke aufgedeckt, und von Menschen, die man mag, kann man es eben auch annehmen.
Die Konfrontation wird immer wieder vorgeschlagen. Einige User/innen meinten, man müsse sich „wehren“ und solches Verhalten unterbinden.
Aber wie viele der unendlichen Masse von Dummköpfen wollen Sie darauf hinweisen, dass Sie keine Direktgespräche mit Unbekannten wünschen? Da draußen gibt es mehr Trottel, als die Lebenszeit eines Durchschnittsmenschen Sekunden enthält.
Ich kann außerdem nur abraten, auf Stalker oder Trolle zu reagieren, weil das diese anstachelt. Alles, was sie wollen, ist ja Beachtung und Kontakt.
Anzeigen bei der Polizei helfen nicht bei „normalen“ Belästigungen auf facebook, wurde oft genug probiert. Obendrein war es nicht immer der/dieselbe Anrufer/in – für einen einzigen Kontaktversuch kann man jemanden kaum strafrechtlich belangen.
Die Kontakt-Suchenden mit Namen oder Nummer veröffentlichen? Ebenfalls unmöglich, denn Menschen im Internet an den Pranger zu stellen, geht nicht, weil das rechtlich leider auch nicht in Ordnung ist.
https://www.infodocc.info/internet-pranger-die…/
Ein Prozess um so etwas ist der feuchte Wunschtraum jedes rechtschutz-versicherten echten Stalkers, denn dabei kriegt er mehr Infos und Kontakt mit dem Opfer als auf jedem anderen Weg, und das Opfer MUSS ihn dann beachten…
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Geschehen unerwünschte Kontaktaufnahme-Versuche in Chats oder Threads, sollte man sich auf die Seite gemobbter Frauen stellen, das tun eigentlich alle normalen Leute, auch ich. Eine Hilfe ist das bei Telefon-Terror natürlich nicht.
Es bleibt tatsächlich nur, das eigene Profil solange anzupassen und zu bearbeiten, bis es nicht mehr „die Falschen“ anlockt.
Denn, so ärgerlich es ist, einen anderen Filter gibt es nicht. Es gilt Murphy´s Law der Kommunikation: was falsch verstanden werden kann, wird auch falsch verstanden werden